Donnerstag, 5. April 2012

Mount Kenya

Es regnete viel, die feuchte Hitze machte das Jagen sehr beschwerlich, und die Häute trockneten schlecht. Wir erlebten gestern Nacht aber zwei Dinge, auf die wir seit Beginn unserer Reise gehofft hatten. Wir hörten einen Löwen brüllen. Es war ein erschütterndes Konzert und hallte so klar über die Ebene, dass, als es erstarb und noch einige knurrende Laute folgten, man fast glaubte, sein Atemholen zu hören. Er mochte wohl gegen 400 Meter von uns entfernt sein, und doch erfüllten die donnernden Laute die Nacht und machten die Luft erzittern, so mächtig war seine königliche Stimme. Und mit den Worten: «Da liegt der Mount Kenya!» weckte mich Brovie heute Morgen, und im Rahmen des Zelteinganges, weit über dem Ozean von goldenem Gras, erhob sich der riesige Berg, dessen schneebedeckter Gipfel im zitternden Licht des anbrechenden Morgens schimmerte. Bisher hatten wir immer nur die Vorberge und die Umrisse seines Fusses gesehen; darüber aber hing wie ein Vorhang eine Wolkendecke, die sich niemals gelüftet hatte. Schon unzählige Male hatten wir versucht, uns vorzustellen, was sie wohl verberge, hatten uns schwarze Abgründe und schimmernde Gletscher ausgemalt und uns gefragt, wie hoch über diese Wolken der Gipfel wohl reiche, und wie wohl Schneeberge unter dem Äquator sich ausnehmen würden. Doch nie konnte sich unsere Einbildungskraft mit dem unvergleichlichen Anblick messen, die der Kenya in Wirklichkeit bot. In den tauklaren, kristallenen Morgen ragten seine beiden Gipfel, über einem zarten Wolkengürtel, mit frischem Schnee bedeckt. Den ganzen Tag über marschierten wir in Sicht des Berges, hatten eine lange Pürsche auf Wasserböcke und schlugen bei Einbruch der Nacht unser Lager am Ufer eines Flüsschens auf, unser letztes Lager auf unserm Streifzug nach dem obern Tana. Am folgenden Morgen packten wir alle Häute zusammen, nachdem wir sie mit Naphthalin bestreut hatten, und nähten sie in grüne Willesden-Säcke, die, aus stärkstem Hanf gewoben und mit Arseniklösung getränkt, sogar das gefährlichste aller Ungeziefer, den Speckkäfer, fernhalten. Wenn alles beieinanderlag, die Büffelhaut, drei Löwen, der Leopard, ein Zebra, die Kuhantilope und das Impala, Schädel und Knochen mit Draht in Gras verpackt, so war es eine recht ansehnliche Sammlung für den Anfang. Doch war auch ihre Unvollständigkeit allzu offenbar: noch fehlten weibliche Stücke von Kuhantilope, Impala und Büffel —das Museum aber musste Paare haben. Dem konnte später abgeholfen werden, denn diesen Tierarten würden wir immer wieder begegnen. Dagegen war das fehlende Kenya-Oribi eine Lücke in unserer Sammlung, die wir nicht mehr ausfüllen konnten.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen